Auch die Zeit heilt nicht alle Wunden

Nach all der Zeit vielleicht mal wieder ein Blick zurück. Nicht in mein Innenleben, in meine Ehe, oder in mein Schlafzimmer gar. Lasst mich stattdessen für Euch noch mal nach draußen schauen, auf die Affäre, auf die Frau, auf die ich mich eingelassen hatte mit Haut und Haaren.

Ich bin noch immer ganz gerührt zu sehen, wie viele von Euch hier so treu mitlesen. Vielleicht kann ich ja den einen oder die andere von Euch davor bewahren, meine Fehler zu wiederholen — oder dazu ermutigen, den Weg des eigenen Herzens weiter zu gehen, weiter zu suchen.

Berichtet hatte ich ja bereits, wie viel zerbrach, als ich meine Entscheidung getroffen hatte. Meine Affäre war beendet, und meine Ehe auch, alles nahezu im gleichen Moment: Während ich mir eine Wohnung suchte, um aus dem gemeinsamen Haus auszuziehen, druckte meine Geliebte einige meiner intimsten e-Mails aus und schickte sie in einem Briefumschlag an meine Frau. Ganz sicher war sie auch an unserem Haus: Eines Morgens lehnte ein Geschenk, das ich ihr gemacht hatte, an unserer Haustür; es war reiner Zufall, dass ich es selbst fand und nicht eines unserer Kinder beispielsweise.

Kein Wunder eigentlich. Natürlich brauche ich nach so viel Nähe und Gemeinsamkeit nicht viel Phantasie, mir vorzustellen, wie verletzt sie war. Auch wenn ich, so meine ich, immer ehrlich war und klar gemacht habe, dass unsere Verbindung nicht für immer sein wird: In so einem Moment ist das selbstverständlich keine Erklärung und keine Entschuldigung. In ihrem Kopf, in ihrem Herzen war ich sicherlich „der eine“. Ich habe ihr Herz gebrochen.

Irgendwie hatte sie mich nach der ersten, vorläufigen Trennung darauf aufmerksam gemacht, ich weiß schon gar nicht mehr, wie genau: Sie legte einen anonymen Zweit-Instagram-Account an, mit zornigen, trotzigen Botschaften, noch Monate nach meiner Entscheidung zur Trennung. Über ein Jahr später kommentierte sie erneut einen Instagram-Post meiner Frau, als diese dort von einem Erlebnis berichtete, muss sie angestachelt haben. Jeder unserer Freunde konnte das sehen.

Es ist nicht einfach, über so etwas hinweg zu kommen.

Für mich übrigens auch nicht. Ich habe sie schließlich geliebt, da war nicht nur Sex. Noch immer denke ich an sie, an der Autobahnabfahrt, wo sie wohnt, an einem Parkplatz, wo wir uns manchmal getroffen haben. Ich beobachte heimlich ihr Instagram-Profil. Bis heute ist die Nutzung von Instagram für mich nicht ohne mulmige Gefühle möglich. Wenn ich sehe, dass sie einen längeren Zeitraum nichts gepostet hat, dann frage ich mich heimlich, ob es ihr gut geht, ob alles okay ist.

Aber will ich sie deshalb zurück? Nein. Die Erinnerung ist wunderschön, ich will die gemeinsame Zeit nicht missen. Sie ist ein Teil von mir. Ich habe viel gelernt über mich und über meine Bedürfnisse, über große Gefühle, über das Leben, über meine Prioritäten und über die Liebe.

Wir hatten uns versprochen, dass wir, sollte der Tag kommen müssen, erhobenen Hauptes auseinander gehen, dankbar für die gemeinsame Zeit. So leicht gesagt, doch so vermessen. Nicht zu machen.

In gewisser Weise bin ich ihr deshalb nun sogar so etwas wie dankbar, dass sie nach der Trennung so ausgeflippt ist, auch mich verraten und verletzt hat. Ich weiß nicht, ob ich sonst die Kraft gehabt hätte, von ihr zu lassen, gerade auch an dunkleren Tagen. Sicher hätte es mich um so stärker zu ihr zurück gezogen.

Auch deshalb bin ich nun darin bestärkt: Ich habe mich für den richtigen Weg entschieden.

Trotzdem wünsche ich ihr nur das beste. Wie es ihr wohl geht?

Man wächst mit seinen Aufgaben

Das Jahr 2020 hat uns bislang ein neues Ritual beschert: gemeinsame Spaziergänge am Wochenende. Manchmal mit den Kindern (gerne auf Tretroller oder Fahrrad), manchmal ohne. Manchmal reden wir, manchmal schweigen wir uns an. Manchmal reden wir über unsere Beziehung und unsere Gefühle miteinenander, manchmel reden wir über unsere Arbeit oder über den Alltag oder über die Sorgen und die Erziehung unserer Kinder.

Diese gemeinsame Zeit ist ein absoluter Segen. Es gab auch stressige Zeiten im vergangenen Jahr, immer wieder haben wir uns voneinander entfernt, aber wir sind immer wieder zueinander zurückgekehrt. Und egal, wie stressig die Woche war: am Samstag oder Sonntag haben wir zwei Stunden füreinander, an der frischen Luft. Das tut uns gut.

Eine Erkenntnis, die uns im vergangenen Jahr erreicht hat, und die wir so reflektieren konnten: Es ist besser, gemeinsam in einer Krise zu stecken, als jeder für sich. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es sich anhört: Ich dachte schließlich immer wieder, wenn es ein Beziehungsproblem gibt, ist das MEIN Problem oder IHR Problem. Wenn man sich aber klar macht, dass es ein GEMEINSAMES Problem sein könnte, an dem jeder Anteil hat, denn fühlt man sich verbunden, selbst wenn sich noch lange keine Lösung abzeichnet.

So ist das bei uns im Moment. Wir sind weit davon entfernt, dass alles rosig ist; weit davon entfernt, wunschlos glücklich zu sein miteinander. Aber wir arbeiten dran. Und wir versprechen uns, dass wir gemeinsame Lösungen suchen, bevor jeder für sich loszieht.

Ein sexueller Neustart

Mit Sex hat diese Geschichte angefangen, könnte man sagen, also liegt doch jetzt vor allem die Frage nahe: Wie geht es mit dem Sex jetzt weiter?

Tja. Eine vielschichtige Angelegenheit.

Zunächst macht sich hier die Arbeit an mir selbst bemerkbar. Meine langjährige Therapie, die ich ganz allein für mich gemacht habe, als sich meine Beziehungs- und Ehekrisen freilich längst abzeichneten. Ich habe die Rolle, die Sex in meinem Leben spielt bzw. spielen soll, komplett neu vermessen und verteilt. Sexualität ist ein wesentlicher Teil von mir, und ich kann nicht glücklich leben ohne sie. Sex gibt mir Energie.

Aber einerseits: Der Preis, sich hier treiben, sich ganz gehen zu lassen, so erfüllend das auch war, er war zu hoch. Ich hab‘ mich ausgelebt, ich hab‘ das genossen, aber ich habe auch festgestellt: Auf Dauer ist das für mich keine Lösung. Es hat mich fertig gemacht, mich „teilen“ zu müssen. Ich wollte weder auf meine Familie verzichten noch auf meine Geliebte — und musste mich dann schmerzhaft entscheiden (von den Schmerzen, die ich anderen damit zugefügt habe, hier mal ganz zu schweigen). Deshalb will ich eine solche Affäre, so ein Abenteuer, so ein Doppelleben, nie wieder.

Und andererseits: Ich kann auf so viele verschiedene Arten Sex haben. Meiner Phantasie freien Lauf lassen. Genießen, wie die Lust, wie die Spannung sich in mir aufbaut. Mich selbst befriedigen, wenn mir danach ist, was ich früher nie genießen konnte. Inzwischen besitze ich ein bescheidenes Sortiment an Toys, die ich manchmal nutze, manchmal nicht, aber egal: Das ist allein meine Sache, niemand sonst muss davon wissen. Ich habe Geschmack an Pornos gefunden, die ich manchmal schaue, und oft auch nicht, wenn ich mich nur auf meine Träume und Gedanken verlassen will. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig.

Und meine Frau? Ich sehne mich nach ihr, und ich lasse sie das auch spüren, aber ich verkrampfe mich nicht mehr, und auch das spürt sie eben. Alles kann, nichts muss, und all das ist eben zunächst mal ihre Entscheidung (zumal nach der erzwungenen Trennung). Sie musste das Vertrauen in mich erst zurückgewinnen, zumindest war das der zaghafte Anfang: Ihr zu zeigen, dass ich abwarten konnte, dass es mir ernst ist mit uns.

Dann haben wir viel geredet über ihre Bedürfnisse, in der gemeinsamen Paartherapie und später auch unter uns. Sie redet vor allem viel darüber, was alles dazu führt, dass sie oft eben keine Lust hat. Es tat mir überraschenderweise sogar gut, das zu hören. Weil ihre Lustlosigkeit nämlich an allem möglichen liegen kann, am Job, an den Kindern, am eigenen Körpergefühl, an den Eltern und Geschwistern vielleicht, am Stress mit Kollegen, am Wetter, am unerledigten Haushalt, offenen Baustellen, und eben tausend Dingen, die alle nichts mit mir zu tun haben.

Und so haben wir natürlich auch wieder Sex, gelegentlich, nicht häufig, aber wenn wir in der letzten Zeit Sex hatten, dann war es relativ häufig eine „Premiere“. Wir haben Dinge ausprobiert, die wir nicht zuvor getan hatten, und immer ging die Initiative dazu von ihr aus, die Verführung, also die Gelegenheit, aber auch die Praktiken und die Intensität. Ein völlig neues Beziehungsgefühl und eine völlig neue Basis, zusammenzukommen.

Ist damit alles in Butter, alles im Lack? Natürlich nicht. Fernab davon. Die Beschäftigung mit Pornos beispielsweise, und generell mit meinen Gelüsten und Phantasien, hat mir natürlich auch gezeigt, dass ich mir Dinge vorstelle und wünsche, die ich mit der Frau, die ich liebe, eher nicht ausleben möchte. Dafür, für diese wilde, ungezügelte, ja bisweilen brutale Seite, war die Affäre natürlich perfekt. Und so bin ich manchmal traurig, sehr sogar, aber auch das ist ja okay. Alles zu seiner Zeit.

Ich denke in viel größeren Zeitzusammenhängen. Eben waren wir noch ein total aufeinander fixiertes Paar ohne Kinder, jetzt haben wir beide unsere Karrieren, das gemeinsame Zuhause, die Familie, und guck, wie schnell die Kinder groß werden, ruck-zuck sind die schon wieder aus dem Haus und wir sind wieder zu zweit. Mehr zweisame Zeit für uns kommt ganz sicher noch, wenn wir es nicht wieder verkacken.

In der Zwischenzeit mache ich viel Sport, bin draußen, beschäftige mich mit schönen Dingen, engagiere mich im Sportverein in der Jugendarbeit, genieße Geselligkeit, neue und neu entdeckte Freundschaften, gutes Essen und Trinken, die Zeit mit den Kindern, und habe schlicht und einfach eine bescheidene, dankbare Freude an meiner Existenz.

Der Sex hat darin seinen Platz. Nicht mehr — aber auch nicht weniger.

Die alte Liebe ist die neue Liebe

Wir sind wieder zusammen, meine Frau und ich. Anderthalb Jahre schon.¹

Ich weiß schon gar nicht mehr, wie genau alles geschah. In der Adventszeit hatte ich mich daran erinnert, dass wir zwar verheiratet sind, aber nie verlobt waren. Mir gefiel die Idee, ihr nach allem, was geschehen war, einen „Verlobungsring“ zu schenken, mit einem Brillianten. Manche Frauen tragen ja Ehe- und Verlobungsring „übereinander“ am selben Finger. Ich kaufte also einen schönen, einzigartigen Ring, ohne einen klaren Plan zu haben, wann und wie ich ihn ihr schenken würde. (Oder ob je überhaupt.)

Über Weihnachten und Neujahr zog ich zurück in unser gemeinsames Haus — obwohl wir natürlich selbstverständlich getrennt waren. Wir blieben auf Distanz, aber wir feierten das Fest der Liebe zusammen, waren gut zu unseren Kindern. Eltern und Schwiegereltern, Cousins und Cousinen, Onkels und Tanten kamen zu Besuch. Auch an Silvester verbrachten wir einen schönen Abend zusammen, mit engen, inzwischen engsten, und nahezu den einzigen Freunden, die diese Bezeichnung wirklich verdienen. (Wie sich der Freundeskreis nach der Offenbarung einer Affäre neu sortiert, ist Stoff für einen weiteren Post, hier geht’s zunächst um uns).

Relativ kurz bevor im Januar die erneute „Trennung“ anstand — ich wäre zurück in meine eigene Wohnung gezogen — bot meine Frau an, dass wir es nochmal versuchen. Als Paar. Aufs Neue. Vorsichtiger Neuanfang.

Das muss der Moment gewesen sein, wo ich ihr dann auch den Ring übergeben und geschenkt habe. Sie trägt ihn seither.

Die Wohnung habe ich wieder aufgegeben. Wir wohnen mit den Kindern unter einem Dach.

Wie genau wir unsere neue Liebe bestreiten, unseren neuen Alltag eingerichtet haben, mit den Kindern umgehen, mit der Nähe, mit Zärtlichkeit und Erotik, mit Sex, all das muss ich ein andermal erzählen. Auch wie es mit meiner Geliebten weitergegangen ist, ist noch nicht 100%ig auserzählt.

Aber eins nach dem anderen…

Ich bin froh und dankbar für das Leben, das ich habe. Jeden Tag. Oft weine ich vor Glück. Lieder, die im Radio laufen, Spaziergänge und Sonnenuntergänge, Momente allein in unserem Garten oder unserem Haus, ihr äußerst selten und niemals leichtfertig ausgesprochenes „ich liebe Dich“ — es gibt zahlreiche Momente, die mir vor Augen führen, wie zerbrechlich mein Glück ist, wie schnell alles vorbei sein kann, wie knapp ich davor stand, ein ganz anderes Leben zu führen, mit anderen Vorzügen natürlich, aber eben auch mit anderen Entbehrungen.

Es ist alles gut so, wie es ist.

Ich hatte hier eher beiläufig schon mal auf den großartigen TEDtalk der Paartherapeutin Esther Perel verwiesen, der mit den folgenden Worten schließt:

Today in the West, most of us are going to have two or three relationships or marriages, and some of us are going to do it with the same person. Your first marriage is over. Would you like to create a second one together?

Das ist genau das, was wir momentan tun.


¹ – Ich weiß, eine lange Zeit, es tut mir sehr leid für Euch. Wir mussten, wir müssen unser Leben neu sortieren, suchen den Blick in die gemeinsame Zukunft; es wäre schwer für mich gewesen, mich hier an dieser Stelle immer wieder meiner Vergangenheit zu stellen. Selbstverständlich habe ich das an anderen Stellen ständig getan, aufgearbeitet, hinterfragt, in meiner eigenen Therapie, in der Paartherapie, und in vielen schmerzlichen Gesprächen mit meiner Frau.

Stayin‘ Alive

Nach langer, nach sehr langer Zeit habe ich mal wieder meinen eigenen Blog besucht, mich hier eingeloggt, und mit einigem Erstaunen gesehen, wie viele Menschen hier nach wie vor vorbeikommen, immer noch, jeden Tag. Ihr kommt über Google-Suchen zu mir, oder schaut regelmäßig, ob es endlich Neues gibt. Viele von Euch haben in der Zwischenzeit Kommentare hinterlassen, einige von Euch sogar per Mail geschrieben.

Danke.

Ich kenne Euch nicht, aber natürlich seid Ihr mir irgendwie nah gekommen in all der Zeit. Das berührt mich sehr.

Es ist viel passiert in letzter Zeit, zu viel, als dass ich es auf die Schnelle runterschreiben könnte. Sehr viel Schönes, sehr viel Gutes vor allem. Mir geht es gut.

Und ich verspreche, ich bringe mal wieder Ordnung in meine Gedanken, und ich werde sie mit Euch teilen. Bleibt dran. Bis bald.

Frohes Fest!

Für heute gibt es natürlich nicht mehr viel zu sagen, aber eins noch: Ich wünsche Euch allen ein frohes Weihnachtsfest, ein paar stille Tage und gute Erholung. Kommt gut ins neue Jahr.

Danke für Eure Anregungen und den Austausch hier.

Friede sei nun in Euren Häusern, und in Euren Herzen!

2F

Fifty-fifty

Zehn Monate getrennt. Sind wir doch, oder? Ich weiß es gar nicht. Wir gehen zur Paartherapie, sind als Familie in den Sommerurlaub gefahren, wir schlafen getrennt, aber verbringen teilweise ganze Wochenenden gemeinsam. Manchmal fühlt es sich an wie früher, wir wuppen den Alltag, verbringen gemeinsame Zeit mit den Kindern. Wir werden nicht zärtlich oder gar intim, aber das war ja eigentlich schon immer so. Manchmal fühlt es sich richtig an, manchmal falsch. Manchmal fühlt es sich an, als seien wir längst ein Ex-Paar, mit zwei Wohnsitzen und geteiltem Sorgerecht.

Als die Paartherapie begann, sagten uns die Therapeuten, es wäre eine „ergebnisoffene“ Beratung, mit dem Ziel einer Versöhnung oder auch einer „sauberen“ Trennung. Ich will keine Trennung. Ich habe das Gefühl, ich habe „aufgeräumt“ in meinem Leben, schon letztes Jahr, mit dem Ende der Affäre; aber auch in dem Dreivierteljahr, das wir getrennt leben. Es wäre ja so einfach gewesen, den Schlussstrich endgültig zu ziehen? Oder doch nicht? Wäre es nicht schmerzlich und schwer, das Zuhause aufzugeben? Und die Familie, der Kinder wegen? Sicher, auch. Ich weiß jedenfalls was ich will. Ich genieße es, allein zu sein, wirklich allein, zu mir zu kommen, auch mal auszuruhen. Aber ich kämpfe auch, mit allem, was ich habe, um uns, für uns, und ich spüre immer deutlicher, ich kann nicht für immer so leben, zwischen den Stühlen sitzen, pendeln. Genau das wollte ich schließlich nicht mehr.

Und natürlich sitzt auch meine Frau zwischen den Stühlen, arbeitet, arbeitet sich ab, sie kämpft auch, aber mehr mit sich selbst, weniger mit mir. Ich denke, sie nimmt es mir ab, dass ich mich klar positioniert habe, mit der Zeit sind die Zweifel an meiner Aufrichtigkeit wohl immer geringer geworden, in Wellen kamen die Traurigkeit, der Zorn und die Wut. Und jetzt liegt sozusagen der Ball in ihrem Spielfeld. Jede Therapiestunde beginnt damit, dass ich berichte, wie es mir geht, und es geht mir gut, aber ich weiß auch was ich will, und ich kann das nicht aussprechen, ohne weiter Druck auf sie auszuüben: Entscheide Dich mal, Mädchen!

Fifty-fifty: So sieht sie aus, meine Welt, im Dezember 2017. Was für ein Jahr.

Euch allen wünsche ich noch eine friedliche Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest. Umgebt Euch mit den Menschen, die Ihr liebt. Wirklich liebt. Macht das beste daraus.

Vorläufiges Ende der Geschichte

Ich hatte es ja schon angedeutet im letzten Post, vor Monaten: So ganz konnte ich nicht von meiner Geliebten lassen, und natürlich sie auch nicht von mir. Das hing natürlich mit der Liebe zusammen, die wir füreinander erfahren und erleben durften, aber auch mit einem Versprechen: Wir haben immer, von Anfang an, auch über das mögliche Ende unserer Affäre gesprochen, und wir hatten uns versprochen, uns nicht zu „ghosten“, sondern, so gut es geht, dafür zu sorgen, dass der Andere, der Verlassene klar kommt.

So spielten sich in unserem sporadischen Chat-Kontakt über Wochen Dramen ab. Sie hat sogar eigens einen Instagram-Account eingerichtet, um ihre Trauer zu verarbeiten und mir Botschaften zu senden. Währenddessen durchlebte ich mit meiner Ehefrau tatsächlich so etwas wie einen zweiten Frühling, war familiär wieder engagierter, was auch im Freundeskreis nicht verborgen blieb. Der Sex wurde besser, härter, zeitweilig auch häufiger. Ich hatte das gute Gefühl, „aufgeräumt“ zu haben; die emotionale Belastung, der ich standhalten musste, war aber nicht allzu viel geringer geworden. Es war schwer auszuhalten.

So folgte, nach dem anfänglichen Beginn der Affäre und der kopflosen Liebelei, eine weitere schwere Fehleinschätzung: Ich fuhr zu meiner einstigen Geliebten, sie zu besuchen, zu helfen, für sie zu sorgen, ein Gespräch zu führen, Dinge zu klären. Wir saßen auf dem Sofa, nah beieinander, und als ich gehen wollte, fing sie an zu weinen, wollte berührt werden, wollte Sex. Wir kamen für ein paar Wochen wieder zusammen, auch wenn es sich für mich diesmal mehr wie eine Erpressung anfühlte, als dass ich Schmetterlinge im Bauch gehabt hätte.

Und so konnte es auch nicht gut gehen, nicht weitergehen. Ich schrieb ihr eine lange Mail, die erklärte, wie sehr ich meine Frau, mein Leben, meine Familie liebe. (Kam nicht gut an). Ich wich ihr aus, verlegte Treffen von ihrer Wohnung auf öffentliche Orte, um der Verlegenheit zu entgehen. (Kam auch nicht gut an). Am Valentinstag, ausgerechnet, eröffnete ich ihr bei einem ausgedehnten Spaziergang, dass es aus ist, aus sein muss. Sie weinte. Ich ging.

Ich fuhr nach Hause und hatte einen traumhaften, romantischen, erotischen Abend mit meiner Frau, die sich unheimlich viel Mühe gegeben hatte. Sie postete ein romantisches Foto bei Instagram.

Valentinstag.

Das war zu viel.

Meine Geliebte kommentierte das Instagram-Foto, öffentlich, für alle unsere Freunde sichtbar. Ich geriet in Panik, ging ans Handy meiner Frau, löschte den Kommentar. Ich flehte im Chat meine Geliebte an, sie möge aufhören, der Kinder wegen, mich meinetwegen hassen, aber die Familie in Ruhe lassen. Dennoch es war klar: Diese Situation war nicht zu retten.

Nach einigen weiteren Nächten, mit rasenden Gedanken, klopfendem Herzen, schlaflos, habe ich meiner Frau alles offenbart. Ich sagte ihr bei Kerzenschein und einer Fußmassage, dass ich sie liebe, so sehr wie nie zuvor, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben zweifelsfrei bin, dass sie die richtige ist, dass sie die einzige für mich sein soll; dass ich dafür aber einen hohen Preis bezahlt habe: anderthalb Jahre Affäre, zwei Jahre Betrug.

Ein Meer aus Eis und Tränen. Unvorstellbar.

Wenige Tage später trifft ein Brief ein, adressiert an meine Frau, ohne Absender. Darin: eine meiner e-Mails an meine Geliebte, ausgedruckt, und Fotos, die ich ihr geschickt hatte. Einige Tage später ein zweiter Brief. Ein dritter. Vielleicht noch weitere. (Ich habe sie nicht gesehen).

Für meine Frau ist die Welt zusammengebrochen; sie ist in ein Loch gefallen. Sie hat einen von zwei Menschen verloren, denen sie bedingungslos vertraut hat. Erinnerungen an gemeinsame Momente sind „vergiftet“, sagt sie. Wir reden viel, glücklicherweise reden wir noch. Ich habe ihr Zugang zu meinem e-Mail-Konto gegeben, alles offengelegt, damit sie diese e-Mails — wenn sie denn möchte — selber lesen kann, bevor meine Geliebte sie weiter scheibchenweise enthüllt. Dennoch: Wir fühlen uns nicht mehr sicher in unserem gemeinsamen (ehemaligen?) Zuhause.

Meine Frau hat gesagt, ich soll für eine Zeit woanders wohnen. Natürlich tue ich das. Ich brauche den Abstand, durchzuatmen; sie braucht vor allem den Abstand, sich klar zu werden, wie sie weitermachen will, ob sie mich zurück in ihr Leben lassen möchte. Die Zeiten, wo wir wieder vereint zu viert unter einem Dach wohnen, eben am Wochenende für ein paar Stunden, sind einerseits seltene Glücksmomente, andererseits angesichts der immensen Tragik der Situation unfassbar schwer zu ertragen.

Die Kinder wissen nicht Bescheid. Wir werden uns beraten lassen. Wenn es auf eine Trennung hinausläuft, sagte mir heute ein Profi, dann — und erst dann — solle man den Kindern es sagen. Aber weiß ich das? Nein. Das weiß nur meine Frau. Und nicht mal sie weiß es: Es wird Wochen, Monate brauchen, ihre Meinung sich vielleicht vier- oder fünfmal ändern müssen, bevor sie in der Lage sein wird, diese endgültige Wahl zu treffen, bei der es nur fürchterliche Alternativen gibt: Sie muss den Kindern ihren Vater wegnehmen, ihn vor die Tür setzen. Oder mit dem Mann unter einem Dach leben, der ihr so unbeschreiblich weh getan hat. Es ist die Hölle.

Noch mehr als den Verlust der ehelichen Treue schmerzt sie offenbar der Verlust dieser besonderen Freundschaft, dieses Vertrauens. Wir hatten alles beredet, jahrelang, über Erotik und Sex und unsere unterschiedlichen Bedürfnisse, über eine offene Beziehung, uns aneinander abgearbeitet, wir haben uns verschlissen, zeitweilig entfernt voneinander — und alles kommt ihr nun vor wie eine gigantische Lüge.

Mir erscheint die Affäre im Nachhinein wie ein letzter Ausdruck meiner Überforderung, meiner Überlastung, die nahezu krankhafte Ausmaße angenommen hatte, ein absoluter Tiefpunkt voller Höhepunkte. Und dass ich mich so in diesem Menschen täuschen konnte, auch das dürfte eine Lebenslektion sein.

So sei also gewarnt, wer dies liest. Schmetterlinge im Bauch und sexuelle Selbstvergewisserung und erotische Erfüllung sind unvergleichlich wertvoll, wichtig und schön. Ich möchte die zahlreichen Erlebnisse nicht missen. Es war eine wunderbare Zeit.

Aber der Preis? Ich würd’s nicht wieder tun. Einmal reicht. Schon einmal ist zu viel.

Viel Glück Euch allen. Sucht nicht so viel. Seid zufrieden. Genießt es.